Horror Selbstoptimierung

Sonntag, 07. Oktober 2018 19:39

Es ist schon hip auf die Gefahren der Selbstoptimierung hinzuweisen. Jüngstes belletristisches Beispiel ist der Roman „Die Hochhausspringerin“ von Julia von Lucadou. Achtsamkeit, Stressmanagement, Yoga, Sport, Selbstdisziplin und so weiter und so fort. Alles nur moderne Tools um den Menschen auf den globalen Turbo-Kapitalismus vorzubereiten. Auch Coaching-Bashing ist in. Die Moral von der Geschichte: Schlampern sie weiter wie bisher. Man muß nichts verbessern. Hochhaushoch lebe der Schweinehund!

Die Wahrheit liegt wie so oft zwischen den Extremen von Verteufelung und Heilsversprechen, in der goldenen Mitte. Veränderung an sich kann Menschen glücklicher machen. Zu viel davon ist aber auch gefährlich und erschöpft. Auf die richtige Dosis kommt es an. Das gilt auch für das Streben nach Glück, mag es zu Hause am YouTube-Kanal stattfinden, während des Wellness-Wochenendes oder im Rahmen der betrieblichen Weiterbildung.

Bevor ich Ihnen 10 Gründe nennen, nicht zu viel zu optimieren, sollten sie sich die besten Strategien zu Gemüte führen. Die Auswahl ist ebenso willkürlich wie das, was gleich folgt.  Deshalb sollten sie meiner Meinung nach mit der zügellosen Selbstoptimierung vorsichtig sein:

1. Veränderung kostet Geld und Zeit. Wenn Sie so weitermachen wie bisher können sie kurzfristig viel Geld sparen.

2. Selbstoptimierung ist narzißtisch und schadet den sozialen Kontakten. Auch wenn ihr Spiegelbild sie entzückt. Es wird sie nicht in den Armen nehmen, wenn sie es nötig haben.

3. Wer besser werden will, vergleicht sich meist mit noch besseren. Dieser nach oben vergleich macht unglücklich. Denken Sie nur an die Silbermedaillen-Gewinner bei Olympischen Spielen. Nichts als Frust. Wer Bronze gewinnt schaut dagegen nach unten und strahlt.

4. Fehler machen sympathisch. Wer perfekt erscheint, löst Neid aus und läuft Gefahr seine Freunde zu verlieren. Im Grunde ist ja niemand perfekt, man selbst auch nicht. Da Menschen ihresgleichen lieben, lieben sie also auch andere Menschen mit Macken.

5. Selbstoptimierung hat etwas rational Planvolles, sie ist auf ein erdachtes Ziel gerichtet. Doch Ziele können auch den Blick auf das schöne Nebenbei verhindern. Viel Wunderbares kommt durch Zufall in die Welt. Und nicht selten stellt sich kurz nach Erreichen eines verbissen verfolgten Lebenstraums die große Enttäuschung ein.

6. Wer sich anstrengt, ist meist im Streß. Doch unter Druck ist man nicht kreativ. Wer kreativ sein will, braucht Phasen scheinbaren Faulenzens. Perfektionisten fällt das verdammt schwer.

7. Und noch einmal soziale Kontakte. Die verlangen dem Menschen häufig etwas ab, was Optimierer gar nicht mögen: Verzicht. Der Quiz- und Heiratsmaster Hans-Joachim Fuchsberger macht 4 V’s für sein Liebesglück verantwortlich: Verstehen, Vertrauen, Verzeihen, Verzichten.  Selbstoptimierung und Verzicht verbinden sich meist nur im exzessiven Fasten oder einem radikal veganen Ernährungsansatz. Ob das gesund ist, weiß man nicht genau.

8.  Wer gibt eigentlich das Ziel, das Optimum vor? Sind wir es selbst oder ist es die Werbung und die Industrie? Wer optimiert hat selten Zeit für solch wichtige Fragen.

9. Utopisches Denken, das in den Oberstübchen zwanghafter Verbesserer mitschwingt, hat in der Menschheitsgeschichte selten Gutes bewirkt. Über-Disziplin ruft revolutionär Unbewußtes auf den Plan und die Folge sind Ticks und Komplexe bis hin zu gravierenden Persönlichkeitsstörungen a la American Psycho. In dem Film läßt sich verfolgen, wie eine konkurrierende Visitenkarte den Blutrausch der Möchtegern-Elite auslöst.

10. Last but not least sind wir ohnehin alle dem Untergang geweiht. Scheitern ist unser Schicksal. Und das ist gut so, denn Schmerz und Leid lassen uns zu einfühlsamen Menschen reifen. Wer optimiert, hört nicht gerne, daß alles vergänglich ist. Kann er auch schlecht, wenn er ständig Hörbücher über Selbstmanagement auf dem Kopfhörer hat.

Sicher fällt ihnen auch noch ein Grund ein, warum man sich nicht krampfhaft entwickeln und verbessern muß, selbst wenn die moderne Technik einem das so leicht zu machen scheint. Doch wie sieht es mit einer heiteren, coolen Veränderung aus. Am Anfang des Lebens erfahren wir idealerweise Akzeptanz trotz Unvollkommenheit. Am Ende auch? Dazwischen googelt der Mensch in seinem Frust Unsterblichkeit und ewige Größe. Vielleicht kann es ja die Aufgabe eines guten Coaches oder Trainers sein, Widersprüche aufzudecken und dabei zu helfen, auf eine entspannte Weise zum eigenen Selbst zu finden. Sicher, auch das wäre eine Verbesserung. Optimierung dank mehr Akzeptanz für sich und andere. Sind Sie bereit für diesen Sprung?

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