Let it be! für Führungskräfte

Dienstag, 29. Juli 2008 13:37

 

Gelassenheit ist eine vielfach unterschätzte Fähigkeit erfolgreicher Führungskräfte. Neben den großen Drei Gestaltungswille, Leistungsbereitschaft und sozialer Unabhängigkeit gewinnt sie in Zeiten des „Alles ist möglich und machbar!“ zunehmend an Bedeutung.

 

Ich bin durchaus ein Fan der berühmten Motivationstrainer wie Anthony Robbins, die zahlreiche Beispiele dafür anführen, wie sich Menschen von Rückschlägen nicht unterkriegen ließen, konstant an sich glaubten und ehrgeizig das Ziel weiterverfolgten...bis sie es schließlich erreichten. Keine Frage, Hartnäckigkeit kann einen wichtigen Beitrag zum Erfolg leisten. Andererseits sollte man auch nicht vergessen, dass es neben den vielen Erfolgsbeispielen vermutlich noch viel viel mehr warnende Beispiele gibt. Nur machen jene Menschen, die ewig an einem Ziel kleben, um schließlich jämmerlich damit zugrunde zu gehen, nicht immer Geschichte. Prominente Beispiele aus der unrühmlichen deutschen einmal ausgenommen.Ich möchte deshalb an dieser Stelle eine Lanze für die noch wenig beachtete Gelassenheit brechen.


Können Sie sich noch an einen Bundeskanzler namens Kohl erinnern. Politiker sind tagtäglich Stressoren ausgesetzt. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, höchst komplexe Aufgaben zu lösen. Oft geht es um die Quadratur des Kreises, eine Lösung ist (fast) nicht möglich. Manch einem wird der Stress zuviel. Er zieht sich wieder in die Wirtschaftwelt zurück. Wer dauerhaft als Politiker arbeiten will, gewöhnt sich die Fähigkeit des Exkanzlers an. Er lernt es, Probleme auszusitzen. Während rechts und links die Fraktionen toben, beharrt er, lehnt sich zurück und wartet bis die Stürme sich legen. Helmut Kohl wurde bekannt dafür, dass er Probleme aussitzen konnte. Die Öffentlichkeit hat ihn für dieses Talent oft kritisiert. Aussitzen klingt nach Passivität, Nichtstun, anderen das Handeln überlassen. Genau. Richtig. Es ist diese Eigenschaft, die vor Burn-Out schützt, Energie spart und hilft die langfristig wichtigen und machbaren Projekte zu verwirklichen.


Gelassenheit bietet auch den Kontrapunkt, der neuerdings in vielen Forschungen zu Erfolg und Leistungsverhalten eine bedeutsame Rolle spielt, der Hartnäckigkeit. Doch die beiden Eigenschaften widersprechen sich nicht, im Gegenteil. Sie sind auf gesunde Art und Weise miteinander verbunden, bilden quasi die zwei Seiten einer Medaille. Wer loslassen kann, hat die Hände frei, neues anzupacken.


In Indien gibt es eine faszinierende Methode, um Affen zu fangen. Man bohrt ein Loch in eine Kokosnuss, groß genug, damit die Hand eines Äffchens hindurchpasst. Den Innenraum der Nuss höhlt man aus. Dann legt man ein Leckerli, z.B. ein Stückchen Banane in das Innere der Nuss. Und wartet. Bis ein Äffchen kommt, das Appetit auf den Köder hat. Dieses steckt, nachdem es der Verführung erlegen ist, sein Händchen in die Nuss, umklammert das Bananenstück und bildet so eine Faust. Damit ist das Äffchen auch schon gefangen. Die Faust ist nämlich im Gegenteil zu der flachen Hand zu sperrig, um sich durch die kleine Öffnung herausziehen zu lassen. Das Tier müsste seine Beute loslassen, um sich zu befreien, doch dafür ist es zu gierig. Die Belohnung erscheint zu verlockend. Sie ist ja auch scheinbar so nah. Jetzt noch aufzugeben, wäre doch dumm, affig, stimmts? Vielleicht denkt der Affe wirklich so, das wissen wir nicht. Sicher ist aber, dass das wirklich Affige an der Situation das Festhalten ist, denn so bleibt der süße Affe gefangen…bis die wirklichen Jäger kommen und ihn erlegen. Loslassen kann eine wunderbare Alternative sein.


Sie ist auch in manchen Potenzialanalysen eine vortreffliche Lösung. Insbesondere wenn die Beobachter in der Übung diese fantastische Fähigkeit, des Loslassens im richtigen Moment testen. Klassisch ist schon diese Aufgabe, bei der den Führungskräften die Aufgabe gestellt wird, ein Floss zu bauen. Diesmal hat die Herausforderung allerdings einen Haken. Die zur Verfügung gestellten Utensilien reichen nie und nimmer, um eine schwimmbare Unterlage zu entwickeln. Die Aufgabe ist definitiv nicht lösbar. Die Berater haben sich alle Mühe gegeben, sie so zu konstruieren. Unverschämter Weise verraten sie das aber niemanden. Die Kandidaten werden vor die Aufgabe gestellt. Ihnen wird gesagt, sie hätten so und soviel Zeit und sie sollten alle Teamressoucen nutzen. Beobachtet wird tatsächlich, allerdings vor allem eines: Die Fähigkeit unlösbare Aufgaben loszulassen. „Gewonnen“ hat, wer sich beizeiten zurücklehnt und seine Kräfte schont. Er hat die Aufgabe analysiert, die Möglichkeiten erkannt und die richtige Entscheidung getroffen. Was kann man von einer Führungskraft mehr verlangen?


Ich würde mich über Ihre Ideen, Anregungen und auch persönlichen Geschichten zu diesem Thema freuen. Wann waren Sie dank Gelassenheit und Entspannung beruflich und privat erfolgreich?

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