Jahresrückblick mit Biss

Montag, 28. Dezember 2009 09:26

 

Im Folgenden finden Sie in komprimierter Form Gedanken zu den großen Themen der Personalentwicklung im ausklingenden Jahr 2009. Seien Sie versichert, dass ich es mit kurz und knapp und auf den Punkt gebracht ernst meine. Wofür Kerner 3 Stunden braucht, gelingt mir in 3 Minuten. Und noch eine 3. Man kann das Personalmanagement in drei große Bereiche einteilen: Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterentwicklung und Trennung.


2009 stand ganz im Zeichen der Krise, nicht wahr? Tatsächlich konnten viele Unternehmen auch in diesen scheinbar schwierigen Zeiten gute Gewinne einfahren. Es bleibt jedem selbst überlassen, ob er sich das Krisenkleid anziehen will, um den einen oder anderen Rückschlag zu erklären. Mit Sicherheit hat die Krise in den Köpfen stattgefunden und dort im Sinne eines systemischen Grundsatzes, wonach eine Wahrnehmung, wenn sie für real gehalten wird, reale Konsequenzen hat, das eine oder andere bewirkt. Vorsicht im positiven Sinne und unnötige Verunsicherung im negativen.

Glücklicherweise tendieren die Wirtschaftspropheten dazu, der Krise den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie soll wohl abflauen und einem neuen Aufschwung Raum geben. Glauben Sie’s. Na dann wird das sicherlich Konsequenzen für ihre Motivation haben und es sollte mich schon wundern, wenn sich Hartnäckigkeit und Biss nicht auch auszahlen. Aktuelle Studien der Erfolgsforscherin Angela Duckworth beweisen wie bedeutend diese Faktoren sind und wie häufig Intelligenz oft überschätzt wird.

Fangen wir mit der Mitarbeitergewinnung an. Auch 2009 tummelten sich diverse nationale und internationale Recruitingunternehmen auf dem deutschen Markt. Vielerorts hörte man Klagen über das schleppende Geschäft. Dafür waren die Berater umso agiler und wohl auch eine Spur unprofessioneller. Entscheidende Positionen werden in diesem Sektor oft von Young Professionals besetzt, die sich nicht scheuen, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen. Sie reden viel und der Anzug passt ihnen perfekt. Leider haben sie oft keinerlei Ahnung von Personalauswahl, ihr Zeitmanagement basiert auf dem Prinzip Chaos und der Fokus liegt mehr auf der eigenen als auf der Karriere der Klienten.

Man könnte meinen, dass eigentlich jeder dafür prädestiniert wäre, Recruitment zu betreiben. Die möglichen hohen Gewinnmargen, der leichte Zugang auf den Markt und gesetzliche Rahmenbedingungen mit Vermittlungsgutschein erleichtern es Glücksrittern ihr Feld und ihre Datenbank zu bestellen. Das Fazit für 2009: Recruitment noch eine Spur unseriöser. Recruitment in der Krise.

Ein ähnliches Urteil kann auch bei einem Verfahren nicht ausbleiben, das an der Grenze zwischen Auswahl und Entwicklung anzusiedeln ist, dem Assessment-Center. Namen gibt es für diesen Ansatz, der einst vom deutschen Militär für die Laufbahnauswahl entwickelt wurde, viele: Potenzialanalyse, Orientierungcenter, Entwicklungscenter…. Sicher werden so genannte Experten jetzt bestreiten, dass es sich tatsächlich um das gleiche handelt. Theoretisch gewiss nicht, in der täglichen Praxis leider schon. Damit hängt auch das Dilemma dieses Ansatzes zusammen. Er wird undifferenziert und unprofessionell angewandt. Studien belegen, dass die Idee des Nutzens sehr wohl in den Unternehmen angekommen ist. 90% der deutschen DAX-Unternehmen führen AC’s durch. An den Unis wird gelehrt, dass es zu diesem Auswahlverfahren keine Alternativen gäbe und wenn etwas erst einmal von Professoren behauptet wird und deren Geldbeutel unter Zuhilfenahme von eigenen kleinen Beratungsfirmen füllt, knicken chronisch verunsicherte Personalentscheider leicht ein. Man kann Verantwortung ja so wunderbar leicht an irgendwelche Studien delegieren, die rund um den Globus verbreitet werden. Der gesunde Menschenverstand hat Pause, wenn die Weisen aus dem Elfenbeinturm einmarschieren.

Tatsächlich sinkt die Qualität von AC’s und Potenzialanalysen beständig. Der Grund liegt in dieser massenhaften Durchführung von Laien wie auch ein der Fachmann Schuler klagt. Ein psychologisches Verfahren in den Händen von BWLern – das kann nur schief gehen. Hinzu kommt der Sparzwang. Ein AC funktioniert, wenn darin möglichst viele heterogene Methoden zum Einsatz kommen, die einen Bezug zur tatsächlichen beruflichen Aufgabe haben. Meist besteht ein AC heute aus den üblichen Verdächtigen: Gruppendiskussion, Postkorb, Präsentation und Interview. Zu wenig, um zu validen Ergebnissen zu kommen. Gerade die Anwendung psychologischer Test fehlt. Sie aber treiben die Validität in die Höhe.

In Bezug auf Entwicklung gab es nicht viel Neues. Dort, wo man weitsichtig plant, gab es nach wie vor Führungskräfte- und Teamentwicklung. Coaching ist vielerorts noch ein Luxus. Erschwerend kommt hinzu, dass dem Ausbildungswahn in diesem Bereich ein Zertifizierungswahn folgt. Jeder und alles zertifiziert mittlerweile Hinz und Kunz. Oberstes Qualitätsmerkmal: Der Preis. Je teurer das Zertifikat, umso angesehener ist es. Am besten das federführende Institut trägt noch das Kürzel „systemisch“ in Namen oder Curriculum. Alles ist jetzt „systemisch“. Schritt für Schritt kommen die Systemiker ähnlich den Analytikern im Establishment an. Es wird nicht mehr lange dauern und es gibt systemische Therapie auch für Erwachsene auf Krankenschein. Die obskuren Studien die die Wirksamkeit belegen werden von Menschen durchgeführt, deren Studienkollegen an den „Fleischtöpfen“ der gesellschaftlichen Gesundheitsfinanzen sitzen. Wenn Sie irgendwo „systemisch“ lesen, seien sie vorsichtig. Der Coach macht dann alles und nichts, ist interdisziplinär unterwegs und hat seine Wirklichkeit so konstruiert, dass er sowieso immer im Recht ist. Systemisch betrachtet gibt es die Wirklichkheit ja nicht. Lügner, Betrüger, Scharlatane – alles nur eine Frage der Sichtweise. Sind wir nicht alle Scharlatane? Wer legt die Maßstäbe fest, nach denen wir richtig und falsch unterscheiden? Haben Sie schon einmal versucht, die Perspektive zu wechseln? Wenn Sie systemisch hören, seien Sie vorsichtig und hören Sie auf Ihr Bauchgefühl! Was erfolgreiche Unternehmer zu guten Entscheidungen führt, wird auch Ihnen helfen.

Ein Trend, der sich tatsächlich im Zuge der Krise deutlich abzeichnete, war das Aufkommen von Gesundheits- und Stressmanagement. Wenngleich ein Luxus im Hier und Jetzt beweisen die Unternehmen vor dem Hintergrund der erschreckenden demographischen Entwicklung erste Bewegungsbereitschaft. Allerdings lässt sich hier eine Zweitteilung absehen. Wer Geld hat, steckt es in das noch immer nice to have Work-Life-Balance-Programm. Wer keines hat, schmeißt die Verbrauchten und vermeintlich Schwächeren einfach raus. Ich komme auf das Thema Kultur noch einmal zu sprechen.

Trennung sollte 2009 ein großes Thema sein. Tatsächlich nutzten zahlreiche Firmen die Krise, um sich „umzustrukturieren“ und auch personell zu „konsolidieren“. Für solche Fälle gibt es ja in den letzten Jahren Outplacementberater, die sich auch gerne Newplacement oder Bestplacement nennen. Ihr Geschäft boomte aber im vergangenen Jahr nicht wie erwartet. Die Begleitung von Mitarbeitern, die das Unternehmen verlassen, kostet Geld und ist eine Frage der Kultur, sagen wir der guten Manieren im Unternehmen. Vielleicht liegt es an der globalen Konkurrenz und dem Kampf der Kulturen auch in der Wirtschaft, dass diese vielerorts auf der Strecke blieben. Tatsächlich wollen die Unternehmen bei Trennungen wenig Lärm verursachen, denn das schadet dem Image und der Moral der „Überlebenden“. Sie wollen allerdings auch nicht viel Geld dafür ausgeben. Transfergesellschaften, in denen Outplacement a la Low cost Airline betrieben wird, wurden oft installiert. Dort erhalten die Mitarbeiter das Nötigste, um auf dem Arbeitsmarkt andersweitig Fuß zu fassen – mehr aber auch nicht.

Krise und Kultur, das passt zusammen wie Krieg und Frieden, nämlich gar nicht. Das permanente Gerede von der angeblichen Krise förderte all jene, die einen Managementkurs der harten Hand bevorzugen. Vielleicht gab es tatsächlich schwierige Situationen, die harte Einschnitte erforderlich machten. Sicher ist, dass an manchen Stellen mit eisernem Besen gekehrt wurde und dass schlechte Nachrichten dafür Legitimation boten.

Die Zukunft wird zeigen, was diese Notoperationen am lebenden Organismus Unternehmen für Nebenwirkungen hatten. Wenn wieder bessere Zeiten ausgerufen werden, was ja zunehmend der Fall ist, neigen die Verantwortlichen im Personalbereich zu schmusigen Weiterbildungsprogrammen, um verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen. Welche Auswirkungen kann es auf eine Kultur haben, wenn die Menschen, die sie mit Leben erfüllen sollen, in „Krisenzeiten“ erfahren, dass es sich nur um Schönwettergerede gehandelt hat und es bei Problemen hart auf hart kommt? Unternehmer reden im Frühling gerne von Vertrauen, doch im Herbst säen sie Misstrauen. Die Erfolgsgaranten Hartnäckigkeit und Biss werden bei Problemen leicht mit Hartherzigkeit und Fußtritten verwechselt. Kleine Erinnerung an die Zukunft: Das Gedächtnis von Organisationen ist gut.

Soviel Rückblick. Die Zukunft ist wie immer ungewiss. Sie liegt im Dunkeln wie jener verlorene Schlüssel in dem Witz von dem Betrunkenen, der ihn unter der Laterne vergeblich sucht. Kommt der Polizist und fragt ihn, was er da treibe. Der Säufer klärt ihn auf. Fragt (!)der Polizist, der offensichtlich ein sehr mutiger Mann ist, denn er gibt sich nicht mit dem Offensichtlichen zufrieden, wo er besagten Schlüssel verloren habe. Darauf die Antwort des Suchers: Dort hinten im Dunkeln. Warum sucht er dann aber unter der Laterne? Warum machen wir das alle immer wieder?

Sie kennen die Antwort. 2010 kennen Sie nicht. Haben Sie trotzdem den Mut dorthin zu gehen, wo (noch) kein Licht ist. Personalentwicklung3000 wünscht Ihnen viel Erfolg, Freunde und Helfer und wenn’s gewünscht ist einen Coach mit Biss.

©2010 Personalentwicklung 3000 Thomas Lang, Berlin